· 1943 Geboren in Bad Berneck/Oberfranken

· 1960 - 63 Glasmalerlehre in München

· 1968 - 72 Studium an der Akademie der bildenden Künste, München
.. (Karl-Fred Dahmen, Robert Jacobsen)

· 1973 - 74 Stipendium der DAAD für "ateliers 63", Haarlem, Holland

· 1974 - 75 Wissenschaftlicher Zeichner am Institut für Paläontologie, München

· 1975 Förderpreis der Stadt München für Malerei

· 1976 Gastaufenthalt Villa Massimo, Rom

· 1981 Staatlicher Förderungspreis Bereich Bildende Kunst, München

· 1986 Beteiligung "Internationales Bildhauersymposium Sistiana", Aurisina, Italien

· 1993 - 94 Stipendium Cite Internationale des Art, Paris

· 1994 - 04 Atelier München und Landerneau, Bretagne

· seit 2004 Atelier Berlin


____________________________________________________________________

 

Einige Bemerkungen zur Biographie von HK - anlässlich der Ausstellung ´lebenslänglich´ in der Rathausgalerie in München, Oktober/November 2007.

Meine Begegnung mit HK verdanke ich meinem damaligen Münchner Nachtleben, dem Theresienstüberl, das, bis frühmorgens geöffnet, von HM Enzensbergers Bruder und seinen sizilianischen Freund geführt wurde. Brum, HK's erster Galerist Hans-Georg Schultz, verkehrte dort. Am 21. Mai 1973 feierte die Galerie ihr Debut mit einer HK-Ausstellung und Vernissagen-Ausklang im Theresienstüberl. Die Architektursammlung der TUM, wo ich als junger Kunsthistoriker und Doktorand einen Werkvertrag hatte, lag gleich um die Ecke in der Augustenstraße, sodass ich dort noch an diesem Abend HK Jahrzehnte alte leere Architektenmappen und imposante Bilderrahmen ehemaliger Architekturpräsentationen zeigen konnte. Ein großes, transparentes Horizontbild in Hof, collagiert aus zwei unterschiedlich dichten Ölpapieren verdankt einem dieser Rahmen seine Entstehung. Das goldbraune, sparsam und präzise eingesetzte Material gab dem ansonsten eher derben Entree der ehemaligen Dorfschule gleichsam Atem, einen Hauch von mildem Ostasien.

Als ich ihn kennenlernte, hatte HK ein Atelier in der Alten Schule, bzw. im Schloß Hof im Dachauer Hinterland zwischen den Klöstern Indersdorf und Altomünster. Johannes von Eck übernachtete hier auf dem Weg nach Augsburg zu dem berühmten Streitgespräch mit Martin Luther. Hof, ein alter Schlossturm mit zweigeschossigem Schulanbau, war ideales Refugium und Anziehungspunkt zugleich, Ort zum Arbeiten, zum Proben, für Feste, Gespräche, Besuche. Mir, dem Norddeutschen, ist es durch die Jahre zum Inbegriff von Land geworden. Ein Ort, wo Zeit keine Rolle spielt. Das winterliche Schwarzweißfoto, um 1970 von HK von der kleinen Dorfkapelle und der heute mittelgroßen Hitlereiche der 30er Jahre aus aufgenommen, zeigt die hoch aufragende Turmfront, den immer noch prächtigen Bau, vor dem sich das Geäst des alten Obstgartens mit seinen Verflechtungen und Verknotungen als das eigentliche Natura Morte-Thema des Bildes abhebt. Fensterkreuze, Fensterluken, Lattenzaun und polygonales Dachgesims sind Teil der alles durchdringenden Natur geworden. Mich erinnert die graphische Struktur des Fotos, das feindifferenzierte schwarze Gespinst aus Ästen und Mistelnestern, an frühe Objektkästen von HK aus seiner Studienzeit. Für mich sind darin auch die ambivalenten Gefühle enthalten, die ich immer mit Hofverband, z.B. den von toten Fliegen übersäten Saalboden bei der Ankunft aus München. Zweige, Insekten, Tierschädel, wie Reliquien von einem der alten und neuen Bewohner ins Fenster gelegt. Hof war kein Bilderlager, man konnte sich dort ausbreiten. Ich erinnere mich an große Lichtpaus-Serien, auf dem Saalboden ausgelegt. Auch die leichten, lanzettförmigen Papierarbeiten mögen dort entstanden sein, die HK auch als Wandobjekte in Metall realisiert hat. Nie erschienen mir die Räume, die schrundigen, unebenen, gekalkten Mauern und Wände, lichter und geklärter als damals in seiner Zeit als Hauptmieter. In einer Atmosphäre des leichten Gepäcks kam das Gebäude selber zur Wirkung, sein Alter und seine Würde.

Viel später, etwa 1984, begannen in Hof die Vorarbeiten zum Filmprojekt Einleitung einer Erinnerung, das HK mit dem Filmemacher Karl-Hartmut Lerch gemeinsam entwickelte, der im Jahr zuvor im Lenbachhaus seine fulminante Video-Installation Porträt gezeigt hatte. Für Einleitung einer Erinnerung wurde zunächst Amateurmaterial aus den 30er und 40er und frühen 50er Jahren gesichtet, erste Projektstrukturen wurden entworfen, eigene Filmsequenzen kamen hinzu. An den Dreharbeiten in Deutschland und seinen Nachbarländern war ich beteiligt, bis es am Centre Pompidou in Paris - 1991/92 realisiert und 1998 im Kunstverein Karlsruhe als fünfteilige Videoinstallation erstmals gezeigt werden konnte: ein Querschnitt durch die kollektive deutsche Erinnerung.

Nach einem großen Sommerfest in Hof 1986 arbeitete Florian List - Schul- und Jugendfreund von HK - dort etwa zwei, drei Jahre bis zu seinem Tod an den Erzählungen "Die Quellung" und "Schlechte Papiere" und an seinem Roman "Lena", der unvollendet blieb.
Die Jugendfreundschaft von HK und Florian List, verbunden durch die gemeinsamen künstlerischen und literarischen Interessen, datierte aus der Zeit zu Ende der 50er Jahre in der Pasinger Dachstrasse, wo damals das Haus List mit seinen Mietern, Untermietern, Nachbarn ein Brennpunkt für die nähere und weitere Umgebung war, mit den Bildhauern und Stadlerschülern Herbert Peters und Michael Croissant, dem Maler Albrecht von Hancke, alle drei aus der Vätergeneration wie auch Willy Hochkeppel, Florians Stiefvater, ferner der Typograph Herbert Post, der Maler Karl Bohrmann. Gerhard Szeszny, Hans-Jürgen Syberberg, Franz-Xaver Kroetz wohnten in der Nähe, Hetum Gruber und Dagmar Rhodius gehörten dazu und natürlich Christoph Stölzl, der damals schon leidenschaftlich Jazz musizierte und Schulfreund von Florian war, auch von HK, der als 13jähriger von Ansbach dorthin zog und Schüler des humanistischen Gymnasiums Pasing wurde; sein Vater war Pfarrer der von Johannes Ludwig neu erbauten, im September 1956 eingeweihten evangelischen Paul-Gerhard-Kirche in München-Laim.

Christoph Stölzl, der in Obermenzing wohnte und gleich nach der Schule dorthin radelte, kann wunderbar erzählen - und wird es sicherlich tun in seiner Eröffnungsrede am 11. Oktober 2007 - wie glücklich in vielfältigster Anregung er die Pasinger Dachstraße erlebte, Jazzkonzerte in den Eisenbahnwaggons des benachbarten Depots, Zusammenkünfte auf dem aufgelassenen Dornier-Gelände, Lehmskulpturen am Baggersee, Stöbern in Privatbibliotheken, Erfahrungen mit den Menschen und Künstlern, Erfahrung mit dem Modell "patchwork family", lange bevor es diesen Fachausdruck gab. Ein Stück Münchner Kultur- und Kunstgeschichte in süddeutsch liberalem Milieu für fast ein Jahrzehnt, die 50er Jahre, bürgerliche Boheme und Alternativwelt zur jungen Bundesrepublik. Seine Schulfreunde, die u. a. Trakl und Hölderlin liebten, haben die Gruppe Z gegründet.

Wolfgang Längsfeld begleitete mit seinen Rezensionen in der SZ alle Aktionen - heute würde man sagen: Performances - der Gruppe Z. Doom, in einem privaten Keller zu Allerseelen 1969, erlebte er als eine schwarze Messe, einen Ausflug in das Reich der Toten und bescheinigt atemlose Katakombenstimmung, sowie Böcklin und Segal in lebenden, scheinbar lebenden Bildern. Zu Weihnachten 1969 folgte "Die Rose von Jericho" im Münchner ProT-Theater. Geburt, Tod, Feierlichkeit, Kult und kritische Zeitbezüge sei von den - diesmal drei - Akteuren in ein sehr dichtes, spannungsreiches Netz von gegenseitigen Bezügen gebracht. Der Rezensent attestiert den Aufbau einer atemlosen Stimmung und einen ungebrochenen Ablauf, wohlproportioniert und für den, der es wollte, rein ästhetisch rezipierbar, ... bestes Theater. Die ebenfalls einstündige Aktion "Jericho ll" mit 9 Akteuren im März 1970 im Aktionsraum 1 im Hinterhof der Waltherstraße wird zu Pfingsten 1970 auch im ProT-Theater an vier Abenden gegeben. Im Juni 1972 "Saturn". Ein alchimistisches Experiment, gewiss ein Höhepunkt, ist dann zur letzten Produktion der Gruppe Z geworden. Wieder aufs genaueste konzipiert von HK und Florian List und realisiert zusammen mit Wolfgang Griffig (Silesius), Helga Wittenborg, George Augusta, Jürgen Schindler im Keller der Adalbertstr. 102 an mehreren Abenden, eine Nacht für Jerzij Grotowski und seine Theatergruppe, die damals in der Allerheiligenhofkirche gastierte. Längsfelds Rezension, welche die düstere Stringenz und den magisch rituellen Ablauf hervorhebt, steigert sich in Begeisterung und schließt: Ein Kunststück deutsch-innerlicher Stimmungen des 19.Jahrhunderts. Ein Stück einzigartiger Kunst auf einem nicht mehr besiedelten Ruinengrundstück unserer Kultur. Dumpfe Ahnungen und schöne Schauer. Finsternis breitet sich aus.Das Foto"Lebensgefäß"

ist vielleicht sprechender als jeder Text. Damals, in einer Zeit, in der viele aufhörten zu malen, war die Aktionskunst hochaktuell, ich kann mich an die Hitze der Zeit erinnern, an überfüllte Universitätsauditorien, an Bread and Puppet und Living Theatre, an die kurze Zeit des Aktionsraum 1 mit Nitsch und Brus. Die Gruppe Zwar ein Senkrechtstart, aber die Lebenswege der Beteiligten trennten sich. Die Begegnung mit Thomas Niggl, Maler und Aktionist, führte zu weiteren Aktionen und Dreitagesausstellungen in dessen von HK angeregten Wohnungsgalerie Omnibus news in der Hohenstaufenstraße. Ich erwähne nur die gemeinsame Aktion Skulptur 1974 und FernSehen 1975 mit 12 Mitwirkenden, darunter auch Florian List. Die frühen Aktionen waren, wie mir scheint, ein ideales Versuchsfeld für die breitgefächerten Interessen und Arbeitsweisen von HK.
Zum Aktionisten HK fallen mir, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, einige auch direkt aus der Körpergeste entwickelte Arbeiten ein, der hochdifferenzierte Umgang mit graphischen und unterschiedlichsten Medien sowieso.
Eine Übung, die HK von Jugend an betreibt, ist das Messerwerfen. Wie zwei seiner Messerwurf-Bilder Le Lancer de Couteau I und II in der Ausstellung belegen - hochformatige Ölpapiere mit gleichsam informell gestreuten Einstichen, eines mit deutlich spürbarer axialer Akkumulation - scheint es ihm nicht primär darum zu gehen, die schwarze Mitte zu treffen, mich erinnert es eher an die Kunst des Bogenschießens, wie sie uns Eugen Herrigl in seinem gleichnamigen Büchlein vermittelt hat. Und die Ölpapiere wirken verwundet, nicht nur formal schön, das auch.

Der aus der Reichweite seines Armes bestimmte, weiß leuchtend irreguläre Neonkreis, den HK 1981 im studio f in Ulm zeigte, ist vergleichbar, eine zur Lichtskulptur geronnene Aktion. Kurz zuvor, 1980, war die Neon-Arbeit MNEMOSYNE entstanden, in rosa leuchtender Kapitalschrift an der Wand des ehemaligen Luftschutzkellers der Künstlerwerkstatt Lothringer Strasse. HK habe auf romantisch-bildhafte Weise die Quellen der Inspiration im Innern des Menschen beschrieben, kommentierte Gottfried Knapp in seiner Rezension Eine Riesenchance für die neue Kunst. München eröffnet in ehemaligen Fabrikräumen ein Kulturzentrum. Es war der Moment, als Jürgen Kolbe, Michael Meuer, Otto Lerchenmüller u.a. die heutige Lothringer 13 aus der Taufe hoben.

Musik, bzw. Rhythmik, spielen in den Arbeiten von HK eine wesentliche Rolle, ich habe hier besonders auch filmische Arbeiten vor Augen. Die Schallplatte zum 9. August 1981, des Publikmachens der Neutronenbombe, hat in Japan im Hiroshima Museum einen Platz gefunden. Eine 1984 in Zusammenarbeit mit Sonoko Sakai als Musikskulptur entwickelte Partitur für großes Orchester und Chor, die George Orwell gewidmet war, ist seinerzeit im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien gezeigt worden. Zusammen mit einer mannshohen, an die Wand gelehnten Tafel aus Blei, in die HK Namen von Menschen, die für sein Leben etwas bedeuteten, eingeritzt hat, eine offene Reihe, zeigt die Ausstellung das Selbstporträt von 1983, ein Blei-Guß des eigenen Kopfes, abgelegt und versenkt in eine offene Blei-Schachtel. Für die eigenartig aktive Ausstrahlung des Blei-Objekts, seinen Ausdruck zwischen Verschlossenheit und Gespanntheit, Aktion und Ruhe, assoziierte ich von Anfang an das Porträt eines Tänzers und Choreographen. Die Anschauung wird aber gleichfalls von dem schweren, giftigen, weichen, schimmernden Metall mitbestimmt, dem Metall des Planeten Saturn. Auch Die bleierne Zeit, dies Hölderlin-Zitat und Titel von Margarete von Trottas Film über die beiden Ensslin-Schwestern, 1981, spielt sicher eine Rolle für das Verständnis der Blei-Objekte von HK und das Selbstverständnis jener (Nach-68er-) Zeit.

Die kleine Wortsammlung des weißen Büchleins Alte deutsche Wörter entstand 1973, dem Jahr meiner ersten Begegnung mit HK. Blatt für Blatt, folgt ein Wort aufs andere in Maschinenschrift und jedes für sich: Anmut, Antlitz, Vergessenheit, Fluch, Innigkeit - und so fort, eine unendliche, insgeheim begrenzte Reihe, weil sie etwas mit Heimat zu tun hat, mit Sprachheimat zumindest, die man sich im gemeinsamen Leben erwirbt. HK hat sein großes, aus Alte deutsche Wörter entwickeltes Bild "Wortmuseum" aus dem Jahr 2006, ein Schlüsselbild dieser Ausstellung in der Rathausgalerie, mit einer fotografischen Fußnote versehen und sie einer verschleierten Frau konfrontiert. Eine unvermittelte Begegnung des Altvertrauten mit dem Fremden. Wir sehen die Verschleierte als Muslimin und vielleicht später als eine anspielungsreiche Allegorie der Fremdheit, so wie uns auch erst später klar werden mag, wie fern uns selber diese scheinbar vertrauten Begriffe geworden sind. Auch die alptraumhafte balladeske Erzählung Der Besuch spielt mit Bildern, die seit 9/11 einen festen Platz im Vokabular unser aller geheimen Schreckenskammern haben. Es wird die Gefangenheit in Szenarien von Angst und Macht zelebriert, bis in den Herzschlag der Textrhythmik suggestiv nacherzählt. Auch Die alte Fliege, Rückerinnerter Kindertraum und Der Galerist sind angetrieben, wie mir scheint, von Erfahrungen in diesem europäischen, deutschen, auch sehr persönlichen Themenfeld.

Die Ausstellung in der Galerie Hans-Georg Schultz, wie auch schon die von HK 1970 selber organisierte Ausstellung in einem Keller der Barerstrasse 70, waren eine erste Grundlage in München. Dort lernte er, neben anderen, Altgraf Salm und Bernhard Degenhard kennen, für mich als Kunsthistoriker bedeutende Namen. Die ersten drei Sätze aus einem mehrzeiligen Gutachten Degenharts im April 1975 lauten: Kleinknecht malt, zeichnet und macht Druckgraphik. Seine Themen sind Landschaft, menschliche Gestalt, Köpfe. Er ist ein "Romantiker" der Moderne und verbindet Gefühl und Zartheit mit vereinfachender Monumentalisierung. HK erhielt im gleichen Jahr den städtischen Förderpreis für Malerei und Graphik. Es ist interessant, dass er in der Folgezeit - in etwa seit der gleichzeitigen Kunstvereinsausstellung Kritik und Kunst- vor allem als Bildhauer im Bereich der sog. Konkreten Skulptur, zusammen mit Ernst Hermanns, Rudolf Wachter, Nikolaus Gerhart, Stephan Kern und Alf Lechner, wahrgenommen wurde.

Kritik und Kunst war die erste wichtige Ausstellungsbeteiligung für HK. Der Kunstverein bat 1975 Münchner Kritiker, als Kuratoren Künstlerinnen und Künstler ihrer Wahl vorzustellen. Vorgestellt wurden u. a. - und es macht mir Spaß in all diesen Namen auch ein Stück (sehr) vergangener (hoher) Kritikerkultur wiedererstehen zu sehen - Gerhard Baumgärtel durch Juliane Roh, Kurt Benning durch Gottfried Knapp, Karl Bohrmann durch Laszlo Glozer, Michael Croissant durch Karl Hartmut Olbricht und Doris Schmidt, Hetum Gruber durch Jürgen Morschel, Hermann Nitsch durch Dorothea Baumer und Ingrid Rein. Ingrid Seidenfaden, die damals vor allem auch Theaterkritiken schrieb, stellte HK vor. Die Objekte - Stelen und Wandskulpturen - von HK im Kunstverein waren im Grunde Raummarkierungen, nicht Skulpturen im hergebrachten Sinn, wie sie HK von Michael Croissant, Herbert Peters oder Christa von Schnitzler kannte. Ihn interessierten Proportionen und Maßverhältnisse. Ich erinnere mich an Figurenstudien mit Linien und Koordinaten, Zeichnungen, die auf mich geheimnisvoll wirkten. In ihnen ging es gleichsam um die Architektur des Menschen und der Welt, wie ich es, anders und scheinbar definitiver, von Zeichnungen der Renaissance und Le Corbusiers her kannte. Ingrid Seidenfaden schrieb in ihrem Katalogtext, diese Objekte seien vom Wesen her zeichnerisch und Körper vor der Fläche, und dass sie den Betrachter empfindlich zu machen suchten für die Unterschiede zwischen objektiver und individueller Wahrnehmung.

Anlässlich der Aufstellung des 7 m hohen Kegels vor dem Nationalmuseums für zeitgenössische Kunst in Seoul / Korea 1991 - durch Vermittlung der dortigen Kuratorin, Frau Professor Parkschrieb HK: Die Skulptur zeigt zwei scheinbar entgegengesetzte Erscheinungsformen von Masse: Einmal das nach unten ziehende, stabilisierende Gewicht des Stahlkegels, gleichzeitig dann, entlang der Verjüngung nach oben hin, die gänzliche Aufhebung des Volumens und Gewichts der Skulptur. Diese beiden Kräfterichtungen erscheinen äquivalent. In diesem Sinn fasse ich die Skulptur als Energieträger auf, dessen Kräftepotential in den Raum hinein weist, als Materie aber auch ihrem konkreten terrestrischen Standort verbunden sein muss. In der Rathausgalerie ist die erste, 2,20 m hohe, Ausformung dieses Kegels aus massivem Stahl von 1980 zu sehen.

Die dominierende Stahlskulptur (1987) innerhalb der Ausstellung, eine Leihgabe des Lenbachhauses, charakterisiert Helmut Friedet (Kat. Kunsthalle Mannheim/Morsbroich 1990) als trennende Wand und Schacht zugleich. Im Ausstellungskontext klingt für mich auch das Thema des Übergangs, Durchgangs, des Auftauchen und Verschwindens an. Diagonal dazu steht eine polygonale Eisensäule. Wolfhart Henckmann hat sie als introvertierte Säule erkannt (2005).

Seit 1976 nahm HK kontinuierlich, nunmehr drei Jahrzehnte hindurch, an Wettbewerben zu Kunst am Bau und im öffentlichen Raum teil. Gemeint ist mit Kunst das autonome Kunstwerk in Auseinandersetzung mit Architektur, nicht Dekor. Die Chance, gleichsam nicht nur für den Bilderrahmen künstlerisch zu arbeiten, sondern für Situationen in der realen Umwelt, eröffnete sich für junge Künstler in eben jener Zeit durch die Einführung von Künstlerwettbewerben mit mehrstufigen Entscheidungsverfahren. Ulrich Bischoff (a.a.O., 1990) schrieb von einem Wunder der neuen Wettbewerbsbedingungen, es sei vor allem das Verdienst von Hermann Rühl (Architekt und seit 1974 an der Obersten Baubehörde in München), dass im Rahmen der Gründungen von fünf neuen Universitäten (Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Passau und Regensburg), des Ausbaus der schon vorhandenen Universitäten in Erlangen-Nürnberg, in München (Großhadern, Weihenstephan und Innenstadt) und in Würzburg und diverser bayerischer Fachhochschulen beinahe unmerklich ein neues Konzept für die Errichtung von Kunstwerken in den jeweiligen Campusbereichen entstehen konnte.

Es wurde zu einer Gepflogenheit, dass ich, immer wenn ein Wettbewerb anstand, HK nach Möglichkeit zu den üblichen vorab für die Künstler anberaumten Kolloquien und Ortsbegehungen begleitete, als Minister ohne Portefeuille sozusagen. Es war schön, dass wir uns dann bei den Rückfahrten in meinem VW Käfer über das Gesehene und Gehörte unterhalten konnten.
Für das Forum inmitten der neu erbauten, weitläufigen Betongebäude der Universität Regensburg hatte HK eine vier Meter hohe, dunkel patinierte Kugel aus Tombak - ein für ostasiatische Gefäße gebräuchliches Metall, härter als Bronze - vorgeschlagen. Um die Kommission bei einem gesondert anberaumten Ortstermin überzeugen zu können, organisierte HK einen entsprechend großen, weißen, vom Deutschen Wetterdienst gestifteten Ballon, um ihn am nächsten Morgen den versammelten Juroren als schwarze Kugel zu präsentieren. Zu viert übernachteten wir mit unserem noch eingerollten Ballon, mit Staubsauger und schwarzer Farbe im Freien auf einer Wiese des Universitätsgeländes, um morgens um neun mit allem fertig sein zu können, was auch gelang. Den ansteigenden Boden suggerierte HK mit Segeltuch auf Hölzern und Paletten. Wir mussten die Kugel festhalten, sonst wäre der Riesenballon in die Gruppe der Juroren - mitten unter ihnen der künftige Papst Benedikt XVI, damals noch Professor der theologischen Fakultät zu Regensburg - gerollt. Die der Regensburger Kugel immanente Bewegung in der Ruhe trägt wesentlich zu ihrer Wirkung bei. Wesentlich ist auch, dass nichts an ihr an einen Ball erinnert. Dazu trägt die dunkelbraun schimmernde Patina bei, die das Erscheinungshafte der Kugel unterstreicht.

Erlebnisse, Ereignisse verknüpfen sich mit Personen. Als Stichworte für eine mögliche spätere Ausarbeitung fallen mir spontan viele ein, die..., mit ganz unterschiedlichen Rollen und Gewichten, Autoren, Kuratoren, Förderer, oftmals Wegbegleiter, auch wenn ich sie in der Erinnerung an ein Datum knüpfe: Hermann Rühl in der Ausstellung Kritik und Kunst 1975, Peter Steiner Weihenstephan 1979, Rolf Wedewer Aus Münchner Ateliers 11980 und Morsbroich 1990, Armin Zweite aktuell 83, Ulrich Bischoff 1984 im toten Winkel und Haupt- und Nebenwege 1994, Veit Loers Aus Münchner Ateliers III 1987, Zdenek Felix München Focus 88, Manfred Fath, Jochen Kronjäger Kunsthalle Mannheim 1990, Peter Sladeczek Bildersturm Bern 2000, Hans Fey HypoVereinsbank (Alte Hypo-Bank), Hans Dieter Eckstein Hypo-Kulturstiftung.

Fast alle diese Personen saßen in den 80er Jahren einmal oder viele Male im Adria. Über der Theke des Adria beabsichtigte HK ein weisses Neonobjekt zu installieren: "- 273 Grad Celsius", der absolute Kältepol. Dieses Restaurant, das zum 31. Dezember 2007 schließt, war damals eines der wichtigen Szenelokale und wie man sagte, Wohnzimmer von Heinz Herzer, von wo aus er in seinen besten Zeiten bei Pinot Grigio und anregenden Gesprächen, meist tief in die Nacht hinein, Hof hielt. Von Haus aus war er Ägyptologe und Händler mit hochwertigen Antiken, als Mensch schwer fassbar in seiner ganzen Ambivalenz.
In dessen Galerie am Promenadeplatz, gegründet 1976 mit Wolfgang Wunderlich und Volker Kinnjus, gut platziert gegenüber dem Bayerischen Hof, stellte HK seit 1979 bis etwa 1990 regelmäßig aus, in einer Zeit, in der dort auch Ernst Hermanns, Hans Baschang und Dieter Krieg, Kurt Benning regelmäßig zu sehen waren, ferner Thomas Bechinger, Otto Boll, Jai-Young Park, Hubertus Reichert, Artur Stoll, Christoph Unger und die Frankfurter Gerald Domenig, Christian Hanussek, Nicole van den Plas, Manfred Stumpf. 1983 zog die Galerie um in die äußere Maximilianstrasse. Ich arbeitete dort für etwa zwei Jahre bis 1991. 1999 zog die Galerie mit großenteils anderen Künstlern in die Gabelsbergerstrasse an der Pinakothek der Moderne. Die Zeitschrift Neue Kunst in München, herausgegeben zusammen mit den Galeristen Naila Kunigk, Walter Storms und Rupert Walser, die von März/April 1980 bis Mai/Juni 1988 erschien, trägt mit ihren Analysen, Polemiken, Bildreportagen seine Handschrift. Das Fotoalbum Adria / 23.12.1980 / Ein Junggesellenalbum von Kurt Benning ist einer der Künstlerkommentare jener Zeit, es enthielt Bildbesprechungen und Fotos von Kurt Benning, HK und PP. Das Videoprojekt "Lebensläufe von Zeitgenossen" von HK und Kurt Benning hatte 1996 mit einem damals nicht geglückten Porträt Heinz Herzers seinen Anfang genommen und dauert an. Das Herzerporträt wurde 2005 realisiert, ein Jahr vor dessen Tod.

Zwei Foto-Arbeiten, basierend auf Fundstücken, gehören zusammen wie Tag und Nacht, "Familie Sagenschmid" und die "Pin Ups". 20 Porträt-Negative einer Familie der 60er Jahre, fand HK Anfang der 70er Jahre in einem aufgelösten Nymphenburger Fotostudio. Als fiktive Familie Sagenschmid ordnete er die einzelnen Protagonisten in eine Genealogie und barg die Fotos 1981 in einer schwarzleinenen Kassette; jedes wurde - im Format alter Glasnegative mit dem typischen schwarzen Rand - aufgezogen auf Karton, wie wir es noch von den alten, an den Ecken gerundeten hellbraunen Alinari-Fotos der kunsthistorischen Archive kennen, hier schwarz und eckig. Es handelt sich um Bildnisse der Repräsentation, auch dort, wo das zentrale Ehepaar Karl-Heinz und Elfriede einen Gefühlston anschlagen. Verräterisch die Zigarette in der Hand von Elfriede, beflissen herabgebeugt zu Karl-Heinz, der - so könnten wir uns ausmalen - es als Schmied in beispielhafter Wirtschaftswunderkarriere zum Großfabrikanten von - beispielsweise - Landwirtschaftsmaschinen gebracht hat. In der Art, wie die Älteren, die Großelterngeneration August, Therese und Lotta, porträtiert sind, sprechen sich ungebrochen noch alteuropäische Bildnistraditionen aus. Bei den Enkeln Edmund, Gudrun, Franz und In2ebor2 geht es aufgelockert zu und doch wie eingefroren in den Posen scheinbar zufälliger Natürlichkeit. Das Schwarzweiß will hier im Grunde schon Farbe sein.
Ein Kunstgriff von HK, dass er uns im linken Trakt der Ausstellung mit lebensgroßen Pin-Ups (die Vorlagen stammen aus der Frühzeit der Fotokopie) konfrontiert, leichtgeschürzten Blumen des Bösen, Damen aus der Nachkriegszeit, kess, aber ohne jeden Anflug von Pornographie, Floor-Show mit einem Touch Wanderzirkus, lockende Heroinen aus einer Zeit, wo Fleisch noch Fleisch sein durfte, die auch unsere Schwestern sein könnten - Katrin und Peggy, Moni und Veronique, Jasmin und Petra -, in der Ausstellung ein danse macabre, um alles und alle einzubeziehen. Im Zusammenhang seiner Fundstücke wäre auch der von Armin Zweite in Faktor X (2005) beschriebene Kunstbau des Lenbachhauses zu nennen, eine Anregung HKs, nachdem er den ungenutzten, in Vergessenheit geratenen U-Bahntunnel entdeckt hatte.

Zwei Ausstellungen waren für mich besonders wichtig auf dem Weg zu lebenslänglich 2007: die Ausstellung Haupt- und Nebenwege, die Andreas Strobl und ich 1994 in der Lothringer 13 kuratierten, mit Kurt Benning, Lutz Fritsch, HK, Leiko Ikemura und Norbert Radermacher. Thema war die künstlerische Produktion jenseits der Festlegung auf ein Label.

HK zeigte Porträts von Wohnungen in Form von Frottagen, auch große Mauerbilder als Porträts von Berlin, Pankow, Prenzlauer Berg, Schlesisches Tor, die während längerer Aufenthalte dort entstanden waren. Es war mir nicht klar, dass dies die Öffnung für einen neuen Hauptweg sein würde - wenn es ihn denn gibt.
In der Ausstellung "Maia Paris 1994" bei Marion Grcic-Ziersch 1997 sah ich zum ersten Mal die Porträtköpfe von Neugeborenen in all ihren menschlichen Möglichkeiten, eine Serie von Greisinnen, Heiligen, Lurchen, Vamps, Kugelhäuptern, in der Zusammenschau eine Meditation über den Menschen. In der Ausstellung lebenslänglich gibt es eine Serie von Kinderporträts, Halbwüchsigen, Brustbilder, Kniestücke, Köpfe. Sie haben in aller sehr unterschiedlichen Charakteristik den Ausdruck, den Ernst Buschor einmal das Seinsporträt - im Unterschied zum barokken Erscheinungsporträt - genannt hat, gemeint ist der unverwandte, unverstellte Blick, der sich der Ewigkeit konfrontiert sieht. Bei HK kann es eine individuelle Zuständlichkeit, fast wie ein geheimes Zwinkern geben. Traumwandlerisch ist ein treffender Ausdruck für viele der Köpfe auf seinen großen Berliner Bildern. Starke Tiercharaktere sind mir dort aufgefallen, so der dunkle Katzenkopf links oben auf dem Gemälde, das er seiner Zeit in L'lle Bouchard dedizierte. Eine kleine, aber wesentliche Arbeit im öffentlichen Raum entstand für die Münchner Antonienstrasse 7 als Denkmal für die deportierten Kinder und Jugendlichen eines jüdischen Kinderheims. HK wählte den Standort auf dem Gehweg vor dem Wohnhaus, wo früher das Kinderheim stand, für eine 3 m hohe Stele aus grau eloxiertem Aluminium. Im Stadtarchiv hatte er einen privaten Schnappschuss von zwei der Heimbewohnerinnen gefunden, die fröhlich auf die Straße schauen Merry, rechts, wurde in Auschwitz ermordet, Judith lebt, in den USA. Was berührt, ist, dass wir teilhaben, jeder von uns angesprochen wird, in dem lachenden Blick der beiden Mädchen, ganz in der Gegenwart und ganz in der Vergangenheit.

Es ist die Gegenwart des Vergangenen, ein Thema der Ausstellung, insbesondere der neuen in Berlin entstandenen Bilder im Mittelsaal.

Peter Pinnau