Schwerter
zu Pflugscharen: Adolf Hitler wird Konrad Adenauer
In einer Steinmetzhütte
im Fichtelgebirge wurde 1976 eine Büste Adolf Hitlers gefunden, die
1945, offenbar wegen ihres Materialwerts, nicht zerstört, sondern
zunächst eingelagert worden war. Franz-Josef Sladecek schildert im
Katalog der Ausstellung Bildersturm" (Wilhelm Fink Verlag)
im Berner Historischen Museum (F.A.Z. vom 13. Februar) den wohl einzigartigen
Fall einer Hitler-Büste, die unter fremder Flagge weiterbestehen
konnte. Der Kopf aus grünem Fichtelgebirgsporphyr war für die
Hauptstadt bestimmt gewesen, aber nicht mehr dorthin gelangt. Merkwürdig
war, daß der Porträtierte Hitler nur entfernt ähnlich
sah, es fehlten die Stirnlocke und das Bärtchen. Der Finder der Skulptur.
Hermann Kleinknecht, konnte nun nachweisen, daß der Kopf von dem
in dem Stcinmclzbetricb beschäftigten Bildhauer Arnold Czechowsk_v
in eine Adenauer-Büste umgearbeitet worden war und daß der
Bildhauer sein kosmetisch bearbeitetes Werk sogar dem Kanzleramt angeboten
hatte. Man fand das Adenauer-Bildnis dort künstlerisch mißglückt.Uber
Geschmack und Ahnlichkeit läßt sich streiten. Doch dieser Adolf
Hitlcrl Konrad Adenauer steht, wie Sladecek zeigt, in einer alten Tradition
der [Jmschrcibung der Geschichte durch Umarbeiten von Kultbildern. In
römischer Zeit begnügte man sich oft damit, die Inschrift zu
ersetzen, denn die Möglichkeit, die Porträtähnlichkeit
zu überprüfen, war nur wenigen gegeben. Auch war Ähnlichkeit
keineswegs so verbindlich, wie sie es seit der Renaissance ist. Kultbilder
waren austauschbar, und diese Austauschbarkeit war eine Chance, die dramatischen
Augenblicke des Wechsels eines religiösen oder politischen Symbolsystems
zu überstehen. So haben viele Werke den Bildersturm der Reformation
oder auch den Vandalismus der Französischen Revolution überlebt.
Denn die Bilder konnten durch geeignete Inschriften oder durch symbolische
Zeichen entgiftet werden, ihre Kraft konnte so dem neuen Glauben oder
der neuen Regierung zugute kommen.Nach 1989/90 konnte dieser Ausweg in
der früheren Sowjetunion oder in Ostcuro
pos schon deswegen nicht beschritten werden, weil die neue politische
Ordnung keinen vergleichbaren Symbolbedarf hatte. Etwa siebzigtausend
Denkmäler wurden allein in Rußland geschleift. Da sie - jedenfalls
in den Augen der neuen Mächtigen - keinen erweisbaren künstlerischen
Wert hatten, schmolz man sie großenteils einfach ein oder entsorgte
sie. Der Materialwert der Hitler-Büste, vor allem aber die hintersinnige
Gesichts- und Geschichtsoperation des Bildhauers Czechowski, hat für
ihr Überleben gesorgt. Auch sein Gedanke, seinem Werk in Adenauers
Kanzleramt ein Unterkommen zu verschaffen, erinnert an die List des Umfunktionierens,
die Bertolt Brecht als künstlerisches Verfahren nobilitierte. Umschalten
von einer Symbolsprache, von einer politischen Lesart in eine andere,
das haben seit Jahrhunderten Künstler immer wieder geübt, mit
wechselndem Erfolg und nicht immer zum Nutzen der Kunst (Links: Paul Hinckeldey,
Hitler-Büste, Bronze, Koblenz, Bundesarchiv. Rechts: Arnold Czechowski,
Adenauer-Büste, aus einer Hitler-Büste skulptiert, 1953
FAZ 4.4.2001 - Ri