Zeichnungen
1979, 14', s/w, stumm
Eine von niemand als der Kamera beobachtete Aktion gibt Einblick in den
Intimbereich eines Tuns, das sich - durchs Medium distanziert - dem Publikum
im Kino einer kritischen Betrachtung stellt, und zugleich dem Akteur die
Möglichkeit gibt, sich selber bei der Arbeit über die Schulter
zu schauen: Kleinknecht steht vor einer (verschlossenen) Eisentür,
auf die er mit einem Stück Kreide Zeichen malt, die er - mit einem
bereitgehaltenen Lappen in der linken Hand - jedesmal wieder wegwischt.
Die Zeichen oder Zeichnungen, die auf diese Weise spontan, zögernd
oder mit ruhiger Bestimmtheit entstehen, sind deutlich lesbar, entziehen
sich aber gleichzeitig definitiven Zuordnungen. Es sind frei erfundene
Zitate der Realität, die sich.in verkürzten Formeln, die man
Symbole nennen mag, veräußern, die sich aber auch bisweilen
eher literarischen Formulierungen nähern.
Das Nacheinander der Zeichen, ihr Erscheinen und Verschwinden, ist ein
nicht vorab festgelegter, sondern assoziativ offengehaltener Vorgang,
der sich darstellt als ein Suchen in einem Bereich, wo nichts vor-gezeichnet
ist. Es ist dabei unerheblich, ob eine so entstandene Zeichnung 'vor Ort'
als gelungen zu betrachten sei oder nicht. Die Konzentriertheit des Vorgangs
teilt sich unmittelbar mit, auch die Spannung vor dem Nichts der leeren
Fläche, dem neuen Anfang nach dem Auslöschen des Vorangegangenen.
Die Ganzheit zerlegt sich auch hier in die alte Unterscheidung von Positiv
und Negativ, oder anders: "Die Rechte soll nicht wissen was die Linke
tut."
In einigen wenigen Zwischenschnitten wird auf den Ort der Handlung hingewiesen.
Die Wahl des Ortes - ein noch im Bau befindlicher U-Bahn-Bereich - mag
rein zufällig sein, schließt aber zugleich Assoziationen nicht
aus, die auf Symbolisches verweisen. Der Ort
der Zeit erweist sich als der ununterbrochene Wechsel der Erscheinungsformen.
Das sind die Zeichen an der Wand, auf dem Rücken einer Tür-,
vor unbetretenen Bereichen.
Dem aktiven Vorgang der Zeichensetzung steht die gleichfalls aktive, und
konsequente Zurücknahme entgegen.
Die von Mal zu Mal vorgenommene Korrektur des Zeichnens und Zeichens wird
zur totalen Korrektur. Was davon übrig bleibt, ist allein der Vorgang,
die von der Erinnerung bewahrte Zeit.
KURT BENNING, Oktober 1980