Jericho II - Eine neue Aktion der Gruppe Z im proT
Vom Machen von Genrebildern
aus dem Leben und vom Tode des Geometers. Solche Formulierungen fallen
einem angesichts der neuen Aktionszeremonie ein, die die Münchner
Gruppe Z an vier Abenden im pro-Theater unter dem Titel Jericho II gab.
Strenger und weniger prätentiös als die Weihnachtsaktion Rose
von Jericho waren diese neuen Prozeßphasen immer noch eindringlich
intensive Mischformen zwischen bildender Kunst und Theater. Wieder begab
sich alles als stumme, getragen zelebrierte, fast kultische Darbietung.
Das Publikum wohnte dem bei wie eine Gemeinde, war aber zur totalen Untätigkeit
verdammt.
Jericho II zeigte den Aufbau zweier nebeneinanderstehender Environments.
Das eine war, wie bislang in allen Aktionen der Gruppe Z, wieder eine
Grabkammer, das andere ein schäbiger Raum mit alltäglichen Requisiten
und allerlei Gerümpel. Zwischen den Aufbau- und Veränderungsphasen
lagen blackouts, schwarze, toten-stille Löcher. Die ruhigen Bauphasen
wurden skandiert von winzigen, sehr heftigen Mikroaktionen: Einer wird
blitzschnell gepackt und an einen Pfahl gefesselt, eine Kanne Wasser wird
verschüttet, zwei schwarz verhüllte Gestalten stürzen zu
Boden.
Die Phasen und Zustände auf der Spielfläche erinnern an Arrangements
der ars povera, nur daß sie keine Ausstellungsobjekte bleiben. Ausgestellt
werden Phasen ihrer Herstellung. Und dieser Akt der Verfertigung, des
kunstvollen Arrangierens selbst wird, wie früher das fertige Kunstwerk,
mit einer Aura des Geheimnisvollen, des Mystischen umgeben. Was an den
ersten Aktionen der Gruppe Z so faszinierte, war gerade die glückliche
Kombination einfacher Arrangements mit der zeremoniellen Feierlichkeit
ihrer Verfertigung. Das starke Gefühl, das da vermittelt wurde, stellt
sich bei Jericho II zwar auch noch ein, durch die große Ähnlichkeit
zu den bislang realisierten Aktionen aber wird der Zuschauer den Mystifizierungen
gegenüber empfindlicher und skeptischer, zumal die Arrangements klarer
geworden sind und die ehemals breite Vielfalt der Assoziationsmöglichkeiten
stark eingeengt wurde. Symbolischer Wust ist kaum noch zu finden. Gerade
hier könnte die Gruppe Z weitermachen, wenn sie der Verknappung der
Environments einen angemessenen, vom tatsächlichen Arbeitsaufwand
bestimmten Stimmungsgehalt der Aktionen gegenüberstellen würde.
Sie muß sich entscheiden, ob sie auf der Ebene des auslegungsträchtigen
Mysterientheaters oder jener kühleren ihrer neuen Bildkonzeption
weitermachen will. Sie kann aber nicht die Darbietungsförmen von
damals unbesehen auch auf die neuen Reduzierungen anwenden, ohne ihre
jetzige und ihre frühere Arbeit gleichermaßen in Frage zu stellen.
Wolfgang Längsfeld, SZ, München 19.6.1970
Arbeitsnotiz Gruppe Z:
"Jericho II" geht aus der Kombination von szenischen und bildnerischen
Mitteln hervor. Ein bestimmtes Materialsortiment steht zur Verfügung,
das im Verlauf des Spiels konstruktiv eingesetzt wird und aus dem sich
verschiedene, vom Anfangsstadium immer weiter entfernende Phasen der Verwandlung
entwickeln. Die einzelnen Szenen gehen auseinander hervor, sie werden
vom Zustand des Materials und von Ton und Licht bestimmt, die ebenfalls
verschiedene Phasen durchlaufen. Mit der Veränderung von Licht, Akustik,
Material ergibt sich ein neuer Zusammenhang, in dem die Einzelelemente
anders definiert werden. Das Spiel folgt einem ausgearbeiteten, fünfteiligen
Konzept. Die 9 Akteure erfüllen feste Funktionen, sie treten nicht
nach außen, sie arbeiten für sich, ohne sich auf die Zuschauer
zu beziehen. Das Spiel verläuft stumm.