· 1943
Geboren in Bad Berneck/Oberfranken
· 1960
- 63 Glasmalerlehre in München
· 1968
- 72 Studium an der Akademie der bildenden Künste, München
.. (Karl-Fred Dahmen, Robert Jacobsen)
· 1973
- 74 Stipendium der DAAD für "ateliers 63", Haarlem,
Holland
· 1974
- 75 Wissenschaftlicher Zeichner am Institut für Paläontologie,
München
· 1975
Förderpreis der Stadt München für Malerei
· 1976
Gastaufenthalt Villa Massimo, Rom
· 1981
Staatlicher Förderungspreis Bereich Bildende Kunst, München
· 1986
Beteiligung "Internationales Bildhauersymposium Sistiana",
Aurisina, Italien
· 1993
- 94 Stipendium Cite Internationale des Art, Paris
· 1994
- 04 Atelier München und Landerneau, Bretagne
· seit
2004 Atelier Berlin
____________________________________________________________________
Einige
Bemerkungen zur Biographie von HK - anlässlich der Ausstellung
´lebenslänglich´ in der Rathausgalerie in München,
Oktober/November 2007.
Meine Begegnung
mit HK verdanke ich meinem damaligen Münchner Nachtleben, dem
Theresienstüberl, das, bis frühmorgens geöffnet,
von HM Enzensbergers Bruder und seinen sizilianischen Freund geführt
wurde. Brum, HK's erster Galerist Hans-Georg Schultz, verkehrte
dort. Am 21. Mai 1973 feierte die Galerie ihr Debut mit einer HK-Ausstellung
und Vernissagen-Ausklang im Theresienstüberl. Die Architektursammlung
der TUM, wo ich als junger Kunsthistoriker und Doktorand einen Werkvertrag
hatte, lag gleich um die Ecke in der Augustenstraße, sodass
ich dort noch an diesem Abend HK Jahrzehnte alte leere Architektenmappen
und imposante Bilderrahmen ehemaliger Architekturpräsentationen
zeigen konnte. Ein großes, transparentes Horizontbild in Hof,
collagiert aus zwei unterschiedlich dichten Ölpapieren verdankt
einem dieser Rahmen seine Entstehung. Das goldbraune, sparsam und
präzise eingesetzte Material gab dem ansonsten eher derben
Entree der ehemaligen Dorfschule gleichsam Atem, einen Hauch von
mildem Ostasien.
Als ich ihn
kennenlernte, hatte HK ein Atelier in der Alten Schule, bzw. im
Schloß Hof im Dachauer Hinterland zwischen den Klöstern
Indersdorf und Altomünster. Johannes von Eck übernachtete
hier auf dem Weg nach Augsburg zu dem berühmten Streitgespräch
mit Martin Luther. Hof, ein alter Schlossturm mit zweigeschossigem
Schulanbau, war ideales Refugium und Anziehungspunkt zugleich, Ort
zum Arbeiten, zum Proben, für Feste, Gespräche, Besuche.
Mir, dem Norddeutschen, ist es durch die Jahre zum Inbegriff von
Land geworden. Ein Ort, wo Zeit keine Rolle spielt. Das winterliche
Schwarzweißfoto, um 1970 von HK von der kleinen Dorfkapelle
und der heute mittelgroßen Hitlereiche der 30er Jahre aus
aufgenommen, zeigt die hoch aufragende Turmfront, den immer noch
prächtigen Bau, vor dem sich das Geäst des alten Obstgartens
mit seinen Verflechtungen und Verknotungen als das eigentliche Natura
Morte-Thema des Bildes abhebt. Fensterkreuze, Fensterluken, Lattenzaun
und polygonales Dachgesims sind Teil der alles durchdringenden Natur
geworden. Mich erinnert die graphische Struktur des Fotos, das feindifferenzierte
schwarze Gespinst aus Ästen und Mistelnestern, an frühe
Objektkästen von HK aus seiner Studienzeit. Für mich sind
darin auch die ambivalenten Gefühle enthalten, die ich immer
mit Hofverband, z.B. den von toten Fliegen übersäten Saalboden
bei der Ankunft aus München. Zweige, Insekten, Tierschädel,
wie Reliquien von einem der alten und neuen Bewohner ins Fenster
gelegt. Hof war kein Bilderlager, man konnte sich dort ausbreiten.
Ich erinnere mich an große Lichtpaus-Serien, auf dem Saalboden
ausgelegt. Auch die leichten, lanzettförmigen Papierarbeiten
mögen dort entstanden sein, die HK auch als Wandobjekte in
Metall realisiert hat. Nie erschienen mir die Räume, die schrundigen,
unebenen, gekalkten Mauern und Wände, lichter und geklärter
als damals in seiner Zeit als Hauptmieter. In einer Atmosphäre
des leichten Gepäcks kam das Gebäude selber zur Wirkung,
sein Alter und seine Würde.
Viel später,
etwa 1984, begannen in Hof die Vorarbeiten zum Filmprojekt Einleitung
einer Erinnerung, das HK mit dem Filmemacher Karl-Hartmut Lerch
gemeinsam entwickelte, der im Jahr zuvor im Lenbachhaus seine fulminante
Video-Installation Porträt gezeigt hatte. Für Einleitung
einer Erinnerung wurde zunächst Amateurmaterial aus den 30er
und 40er und frühen 50er Jahren gesichtet, erste Projektstrukturen
wurden entworfen, eigene Filmsequenzen kamen hinzu. An den Dreharbeiten
in Deutschland und seinen Nachbarländern war ich beteiligt,
bis es am Centre Pompidou in Paris - 1991/92 realisiert und 1998
im Kunstverein Karlsruhe als fünfteilige Videoinstallation
erstmals gezeigt werden konnte: ein Querschnitt durch die kollektive
deutsche Erinnerung.
Nach einem großen
Sommerfest in Hof 1986 arbeitete Florian List - Schul- und Jugendfreund
von HK - dort etwa zwei, drei Jahre bis zu seinem Tod an den Erzählungen
"Die Quellung" und "Schlechte Papiere" und an
seinem Roman "Lena", der unvollendet blieb.
Die Jugendfreundschaft von HK und Florian List, verbunden durch
die gemeinsamen künstlerischen und literarischen Interessen,
datierte aus der Zeit zu Ende der 50er Jahre in der Pasinger Dachstrasse,
wo damals das Haus List mit seinen Mietern, Untermietern, Nachbarn
ein Brennpunkt für die nähere und weitere Umgebung war,
mit den Bildhauern und Stadlerschülern Herbert Peters und Michael
Croissant, dem Maler Albrecht von Hancke, alle drei aus der Vätergeneration
wie auch Willy Hochkeppel, Florians Stiefvater, ferner der Typograph
Herbert Post, der Maler Karl Bohrmann. Gerhard Szeszny, Hans-Jürgen
Syberberg, Franz-Xaver Kroetz wohnten in der Nähe, Hetum Gruber
und Dagmar Rhodius gehörten dazu und natürlich Christoph
Stölzl, der damals schon leidenschaftlich Jazz musizierte und
Schulfreund von Florian war, auch von HK, der als 13jähriger
von Ansbach dorthin zog und Schüler des humanistischen Gymnasiums
Pasing wurde; sein Vater war Pfarrer der von Johannes Ludwig neu
erbauten, im September 1956 eingeweihten evangelischen Paul-Gerhard-Kirche
in München-Laim.
Christoph Stölzl,
der in Obermenzing wohnte und gleich nach der Schule dorthin radelte,
kann wunderbar erzählen - und wird es sicherlich tun in seiner
Eröffnungsrede am 11. Oktober 2007 - wie glücklich in
vielfältigster Anregung er die Pasinger Dachstraße erlebte,
Jazzkonzerte in den Eisenbahnwaggons des benachbarten Depots, Zusammenkünfte
auf dem aufgelassenen Dornier-Gelände, Lehmskulpturen am Baggersee,
Stöbern in Privatbibliotheken, Erfahrungen mit den Menschen
und Künstlern, Erfahrung mit dem Modell "patchwork family",
lange bevor es diesen Fachausdruck gab. Ein Stück Münchner
Kultur- und Kunstgeschichte in süddeutsch liberalem Milieu
für fast ein Jahrzehnt, die 50er Jahre, bürgerliche Boheme
und Alternativwelt zur jungen Bundesrepublik. Seine Schulfreunde,
die u. a. Trakl und Hölderlin liebten, haben die Gruppe Z gegründet.
Wolfgang Längsfeld
begleitete mit seinen Rezensionen in der SZ alle Aktionen - heute
würde man sagen: Performances - der Gruppe Z. Doom, in einem
privaten Keller zu Allerseelen 1969, erlebte er als eine schwarze
Messe, einen Ausflug in das Reich der Toten und bescheinigt atemlose
Katakombenstimmung, sowie Böcklin und Segal in lebenden, scheinbar
lebenden Bildern. Zu Weihnachten 1969 folgte "Die Rose von
Jericho" im Münchner ProT-Theater. Geburt, Tod, Feierlichkeit,
Kult und kritische Zeitbezüge sei von den - diesmal drei -
Akteuren in ein sehr dichtes, spannungsreiches Netz von gegenseitigen
Bezügen gebracht. Der Rezensent attestiert den Aufbau einer
atemlosen Stimmung und einen ungebrochenen Ablauf, wohlproportioniert
und für den, der es wollte, rein ästhetisch rezipierbar,
... bestes Theater. Die ebenfalls einstündige Aktion "Jericho
ll" mit 9 Akteuren im März 1970 im Aktionsraum 1 im Hinterhof
der Waltherstraße wird zu Pfingsten 1970 auch im ProT-Theater
an vier Abenden gegeben. Im Juni 1972 "Saturn". Ein alchimistisches
Experiment, gewiss ein Höhepunkt, ist dann zur letzten Produktion
der Gruppe Z geworden. Wieder aufs genaueste konzipiert von HK und
Florian List und realisiert zusammen mit Wolfgang Griffig (Silesius),
Helga Wittenborg, George Augusta, Jürgen Schindler im Keller
der Adalbertstr. 102 an mehreren Abenden, eine Nacht für Jerzij
Grotowski und seine Theatergruppe, die damals in der Allerheiligenhofkirche
gastierte. Längsfelds Rezension, welche die düstere Stringenz
und den magisch rituellen Ablauf hervorhebt, steigert sich in Begeisterung
und schließt: Ein Kunststück deutsch-innerlicher Stimmungen
des 19.Jahrhunderts. Ein Stück einzigartiger Kunst auf einem
nicht mehr besiedelten Ruinengrundstück unserer Kultur. Dumpfe
Ahnungen und schöne Schauer. Finsternis breitet sich aus.Das
Foto"Lebensgefäß"

ist
vielleicht
sprechender als jeder Text. Damals, in einer Zeit, in der viele
aufhörten zu malen, war die Aktionskunst hochaktuell, ich kann
mich an die Hitze der Zeit erinnern, an überfüllte Universitätsauditorien,
an Bread and Puppet und Living Theatre, an die kurze Zeit des Aktionsraum
1 mit Nitsch und Brus. Die Gruppe Zwar ein Senkrechtstart, aber
die Lebenswege der Beteiligten trennten sich. Die Begegnung mit
Thomas Niggl, Maler und Aktionist, führte zu weiteren Aktionen
und Dreitagesausstellungen in dessen von HK angeregten Wohnungsgalerie
Omnibus news in der Hohenstaufenstraße. Ich erwähne nur
die gemeinsame Aktion Skulptur 1974 und FernSehen 1975 mit 12 Mitwirkenden,
darunter auch Florian List. Die frühen Aktionen waren, wie
mir scheint, ein ideales Versuchsfeld für die breitgefächerten
Interessen und Arbeitsweisen von HK.
Zum Aktionisten HK fallen mir, ohne Anspruch auf Vollständigkeit,
einige auch direkt aus der Körpergeste entwickelte Arbeiten
ein, der hochdifferenzierte Umgang mit graphischen und unterschiedlichsten
Medien sowieso.
Eine Übung, die HK von Jugend an betreibt, ist das Messerwerfen.
Wie zwei seiner Messerwurf-Bilder Le Lancer de Couteau I und II
in der Ausstellung belegen - hochformatige Ölpapiere mit gleichsam
informell gestreuten Einstichen, eines mit deutlich spürbarer
axialer Akkumulation - scheint es ihm nicht primär darum zu
gehen, die schwarze Mitte zu treffen, mich erinnert es eher an die
Kunst des Bogenschießens, wie sie uns Eugen Herrigl in seinem
gleichnamigen Büchlein vermittelt hat. Und die Ölpapiere
wirken verwundet, nicht nur formal schön, das auch.
Der aus der
Reichweite seines Armes bestimmte, weiß leuchtend irreguläre
Neonkreis, den HK 1981 im studio f in Ulm zeigte, ist vergleichbar,
eine zur Lichtskulptur geronnene Aktion. Kurz zuvor, 1980, war die
Neon-Arbeit MNEMOSYNE entstanden, in rosa leuchtender Kapitalschrift
an der Wand des ehemaligen Luftschutzkellers der Künstlerwerkstatt
Lothringer Strasse. HK habe auf romantisch-bildhafte Weise die Quellen
der Inspiration im Innern des Menschen beschrieben, kommentierte
Gottfried Knapp in seiner Rezension Eine Riesenchance für die
neue Kunst. München eröffnet in ehemaligen Fabrikräumen
ein Kulturzentrum. Es war der Moment, als Jürgen Kolbe, Michael
Meuer, Otto Lerchenmüller u.a. die heutige Lothringer 13 aus
der Taufe hoben.
Musik, bzw.
Rhythmik, spielen in den Arbeiten von HK eine wesentliche Rolle,
ich habe hier besonders auch filmische Arbeiten vor Augen. Die Schallplatte
zum 9. August 1981, des Publikmachens der Neutronenbombe, hat in
Japan im Hiroshima Museum einen Platz gefunden. Eine 1984 in Zusammenarbeit
mit Sonoko Sakai als Musikskulptur entwickelte Partitur für
großes Orchester und Chor, die George Orwell gewidmet war,
ist seinerzeit im Museum des 20. Jahrhunderts in Wien gezeigt worden.
Zusammen mit einer mannshohen, an die Wand gelehnten Tafel aus Blei,
in die HK Namen von Menschen, die für sein Leben etwas bedeuteten,
eingeritzt hat, eine offene Reihe, zeigt die Ausstellung das Selbstporträt
von 1983, ein Blei-Guß des eigenen Kopfes, abgelegt und versenkt
in eine offene Blei-Schachtel. Für die eigenartig aktive Ausstrahlung
des Blei-Objekts, seinen Ausdruck zwischen Verschlossenheit und
Gespanntheit, Aktion und Ruhe, assoziierte ich von Anfang an das
Porträt eines Tänzers und Choreographen. Die Anschauung
wird aber gleichfalls von dem schweren, giftigen, weichen, schimmernden
Metall mitbestimmt, dem Metall des Planeten Saturn. Auch Die bleierne
Zeit, dies Hölderlin-Zitat und Titel von Margarete von Trottas
Film über die beiden Ensslin-Schwestern, 1981, spielt sicher
eine Rolle für das Verständnis der Blei-Objekte von HK
und das Selbstverständnis jener (Nach-68er-) Zeit.
Die kleine Wortsammlung
des weißen Büchleins Alte deutsche Wörter entstand
1973, dem Jahr meiner ersten Begegnung mit HK. Blatt für Blatt,
folgt ein Wort aufs andere in Maschinenschrift und jedes für
sich: Anmut, Antlitz, Vergessenheit, Fluch, Innigkeit - und so fort,
eine unendliche, insgeheim begrenzte Reihe, weil sie etwas mit Heimat
zu tun hat, mit Sprachheimat zumindest, die man sich im gemeinsamen
Leben erwirbt. HK hat sein großes, aus Alte deutsche Wörter
entwickeltes Bild "Wortmuseum" aus dem Jahr 2006, ein
Schlüsselbild dieser Ausstellung in der Rathausgalerie, mit
einer fotografischen Fußnote versehen und sie einer verschleierten
Frau konfrontiert. Eine unvermittelte Begegnung des Altvertrauten
mit dem Fremden. Wir sehen die Verschleierte als Muslimin und vielleicht
später als eine anspielungsreiche Allegorie der Fremdheit,
so wie uns auch erst später klar werden mag, wie fern uns selber
diese scheinbar vertrauten Begriffe geworden sind. Auch die alptraumhafte
balladeske Erzählung Der Besuch spielt mit Bildern, die seit
9/11 einen festen Platz im Vokabular unser aller geheimen Schreckenskammern
haben. Es wird die Gefangenheit in Szenarien von Angst und Macht
zelebriert, bis in den Herzschlag der Textrhythmik suggestiv nacherzählt.
Auch Die alte Fliege, Rückerinnerter Kindertraum und Der Galerist
sind angetrieben, wie mir scheint, von Erfahrungen in diesem europäischen,
deutschen, auch sehr persönlichen Themenfeld.
Die Ausstellung
in der Galerie Hans-Georg Schultz, wie auch schon die von HK 1970
selber organisierte Ausstellung in einem Keller der Barerstrasse
70, waren eine erste Grundlage in München. Dort lernte er,
neben anderen, Altgraf Salm und Bernhard Degenhard kennen, für
mich als Kunsthistoriker bedeutende Namen. Die ersten drei Sätze
aus einem mehrzeiligen Gutachten Degenharts im April 1975 lauten:
Kleinknecht malt, zeichnet und macht Druckgraphik. Seine Themen
sind Landschaft, menschliche Gestalt, Köpfe. Er ist ein "Romantiker"
der Moderne und verbindet Gefühl und Zartheit mit vereinfachender
Monumentalisierung. HK erhielt im gleichen Jahr den städtischen
Förderpreis für Malerei und Graphik. Es ist interessant,
dass er in der Folgezeit - in etwa seit der gleichzeitigen Kunstvereinsausstellung
Kritik und Kunst- vor allem als Bildhauer im Bereich der sog. Konkreten
Skulptur, zusammen mit Ernst Hermanns, Rudolf Wachter, Nikolaus
Gerhart, Stephan Kern und Alf Lechner, wahrgenommen wurde.
Kritik und Kunst
war die erste wichtige Ausstellungsbeteiligung für HK. Der
Kunstverein bat 1975 Münchner Kritiker, als Kuratoren Künstlerinnen
und Künstler ihrer Wahl vorzustellen. Vorgestellt wurden u.
a. - und es macht mir Spaß in all diesen Namen auch ein Stück
(sehr) vergangener (hoher) Kritikerkultur wiedererstehen zu sehen
- Gerhard Baumgärtel durch Juliane Roh, Kurt Benning durch
Gottfried Knapp, Karl Bohrmann durch Laszlo Glozer, Michael Croissant
durch Karl Hartmut Olbricht und Doris Schmidt, Hetum Gruber durch
Jürgen Morschel, Hermann Nitsch durch Dorothea Baumer und Ingrid
Rein. Ingrid Seidenfaden, die damals vor allem auch Theaterkritiken
schrieb, stellte HK vor. Die Objekte - Stelen und Wandskulpturen
- von HK im Kunstverein waren im Grunde Raummarkierungen, nicht
Skulpturen im hergebrachten Sinn, wie sie HK von Michael Croissant,
Herbert Peters oder Christa von Schnitzler kannte. Ihn interessierten
Proportionen und Maßverhältnisse. Ich erinnere mich an
Figurenstudien mit Linien und Koordinaten, Zeichnungen, die auf
mich geheimnisvoll wirkten. In ihnen ging es gleichsam um die Architektur
des Menschen und der Welt, wie ich es, anders und scheinbar definitiver,
von Zeichnungen der Renaissance und Le Corbusiers her kannte. Ingrid
Seidenfaden schrieb in ihrem Katalogtext, diese Objekte seien vom
Wesen her zeichnerisch und Körper vor der Fläche, und
dass sie den Betrachter empfindlich zu machen suchten für die
Unterschiede zwischen objektiver und individueller Wahrnehmung.
Anlässlich
der Aufstellung des 7 m hohen Kegels vor dem Nationalmuseums für
zeitgenössische Kunst in Seoul / Korea 1991 - durch Vermittlung
der dortigen Kuratorin, Frau Professor Parkschrieb HK: Die Skulptur
zeigt zwei scheinbar entgegengesetzte Erscheinungsformen von Masse:
Einmal das nach unten ziehende, stabilisierende Gewicht des Stahlkegels,
gleichzeitig dann, entlang der Verjüngung nach oben hin, die
gänzliche Aufhebung des Volumens und Gewichts der Skulptur.
Diese beiden Kräfterichtungen erscheinen äquivalent. In
diesem Sinn fasse ich die Skulptur als Energieträger auf, dessen
Kräftepotential in den Raum hinein weist, als Materie aber
auch ihrem konkreten terrestrischen Standort verbunden sein muss.
In der Rathausgalerie ist die erste, 2,20 m hohe, Ausformung dieses
Kegels aus massivem Stahl von 1980 zu sehen.
Die dominierende
Stahlskulptur (1987) innerhalb der Ausstellung, eine Leihgabe des
Lenbachhauses, charakterisiert Helmut Friedet (Kat. Kunsthalle Mannheim/Morsbroich
1990) als trennende Wand und Schacht zugleich. Im Ausstellungskontext
klingt für mich auch das Thema des Übergangs, Durchgangs,
des Auftauchen und Verschwindens an. Diagonal dazu steht eine polygonale
Eisensäule. Wolfhart Henckmann hat sie als introvertierte Säule
erkannt (2005).
Seit 1976 nahm
HK kontinuierlich, nunmehr drei Jahrzehnte hindurch, an Wettbewerben
zu Kunst am Bau und im öffentlichen Raum teil. Gemeint ist
mit Kunst das autonome Kunstwerk in Auseinandersetzung mit Architektur,
nicht Dekor. Die Chance, gleichsam nicht nur für den Bilderrahmen
künstlerisch zu arbeiten, sondern für Situationen in der
realen Umwelt, eröffnete sich für junge Künstler
in eben jener Zeit durch die Einführung von Künstlerwettbewerben
mit mehrstufigen Entscheidungsverfahren. Ulrich Bischoff (a.a.O.,
1990) schrieb von einem Wunder der neuen Wettbewerbsbedingungen,
es sei vor allem das Verdienst von Hermann Rühl (Architekt
und seit 1974 an der Obersten Baubehörde in München),
dass im Rahmen der Gründungen von fünf neuen Universitäten
(Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Passau und Regensburg), des Ausbaus
der schon vorhandenen Universitäten in Erlangen-Nürnberg,
in München (Großhadern, Weihenstephan und Innenstadt)
und in Würzburg und diverser bayerischer Fachhochschulen beinahe
unmerklich ein neues Konzept für die Errichtung von Kunstwerken
in den jeweiligen Campusbereichen entstehen konnte.
Es wurde zu
einer Gepflogenheit, dass ich, immer wenn ein Wettbewerb anstand,
HK nach Möglichkeit zu den üblichen vorab für die
Künstler anberaumten Kolloquien und Ortsbegehungen begleitete,
als Minister ohne Portefeuille sozusagen. Es war schön, dass
wir uns dann bei den Rückfahrten in meinem VW Käfer über
das Gesehene und Gehörte unterhalten konnten.
Für das Forum inmitten der neu erbauten, weitläufigen
Betongebäude der Universität Regensburg hatte HK eine
vier Meter hohe, dunkel patinierte Kugel aus Tombak - ein für
ostasiatische Gefäße gebräuchliches Metall, härter
als Bronze - vorgeschlagen. Um die Kommission bei einem gesondert
anberaumten Ortstermin überzeugen zu können, organisierte
HK einen entsprechend großen, weißen, vom Deutschen
Wetterdienst gestifteten Ballon, um ihn am nächsten Morgen
den versammelten Juroren als schwarze Kugel zu präsentieren.
Zu viert übernachteten wir mit unserem noch eingerollten Ballon,
mit Staubsauger und schwarzer Farbe im Freien auf einer Wiese des
Universitätsgeländes, um morgens um neun mit allem fertig
sein zu können, was auch gelang. Den ansteigenden Boden suggerierte
HK mit Segeltuch auf Hölzern und Paletten. Wir mussten die
Kugel festhalten, sonst wäre der Riesenballon in die Gruppe
der Juroren - mitten unter ihnen der künftige Papst Benedikt
XVI, damals noch Professor der theologischen Fakultät zu Regensburg
- gerollt. Die der Regensburger Kugel immanente Bewegung in der
Ruhe trägt wesentlich zu ihrer Wirkung bei. Wesentlich ist
auch, dass nichts an ihr an einen Ball erinnert. Dazu trägt
die dunkelbraun schimmernde Patina bei, die das Erscheinungshafte
der Kugel unterstreicht.
Erlebnisse,
Ereignisse verknüpfen sich mit Personen. Als Stichworte für
eine mögliche spätere Ausarbeitung fallen mir spontan
viele ein, die..., mit ganz unterschiedlichen Rollen und Gewichten,
Autoren, Kuratoren, Förderer, oftmals Wegbegleiter, auch wenn
ich sie in der Erinnerung an ein Datum knüpfe: Hermann Rühl
in der Ausstellung Kritik und Kunst 1975, Peter Steiner Weihenstephan
1979, Rolf Wedewer Aus Münchner Ateliers 11980 und Morsbroich
1990, Armin Zweite aktuell 83, Ulrich Bischoff 1984 im toten Winkel
und Haupt- und Nebenwege 1994, Veit Loers Aus Münchner Ateliers
III 1987, Zdenek Felix München Focus 88, Manfred Fath, Jochen
Kronjäger Kunsthalle Mannheim 1990, Peter Sladeczek Bildersturm
Bern 2000, Hans Fey HypoVereinsbank (Alte Hypo-Bank), Hans Dieter
Eckstein Hypo-Kulturstiftung.
Fast alle diese
Personen saßen in den 80er Jahren einmal oder viele Male im
Adria. Über der Theke des Adria beabsichtigte HK ein weisses
Neonobjekt zu installieren: "- 273 Grad Celsius", der
absolute Kältepol. Dieses Restaurant, das zum 31. Dezember
2007 schließt, war damals eines der wichtigen Szenelokale
und wie man sagte, Wohnzimmer von Heinz Herzer, von wo aus er in
seinen besten Zeiten bei Pinot Grigio und anregenden Gesprächen,
meist tief in die Nacht hinein, Hof hielt. Von Haus aus war er Ägyptologe
und Händler mit hochwertigen Antiken, als Mensch schwer fassbar
in seiner ganzen Ambivalenz.
In dessen Galerie am Promenadeplatz, gegründet 1976 mit Wolfgang
Wunderlich und Volker Kinnjus, gut platziert gegenüber dem
Bayerischen Hof, stellte HK seit 1979 bis etwa 1990 regelmäßig
aus, in einer Zeit, in der dort auch Ernst Hermanns, Hans Baschang
und Dieter Krieg, Kurt Benning regelmäßig zu sehen waren,
ferner Thomas Bechinger, Otto Boll, Jai-Young Park, Hubertus Reichert,
Artur Stoll, Christoph Unger und die Frankfurter Gerald Domenig,
Christian Hanussek, Nicole van den Plas, Manfred Stumpf. 1983 zog
die Galerie um in die äußere Maximilianstrasse. Ich arbeitete
dort für etwa zwei Jahre bis 1991. 1999 zog die Galerie mit
großenteils anderen Künstlern in die Gabelsbergerstrasse
an der Pinakothek der Moderne. Die Zeitschrift Neue Kunst in München,
herausgegeben zusammen mit den Galeristen Naila Kunigk, Walter Storms
und Rupert Walser, die von März/April 1980 bis Mai/Juni 1988
erschien, trägt mit ihren Analysen, Polemiken, Bildreportagen
seine Handschrift. Das Fotoalbum Adria / 23.12.1980 / Ein Junggesellenalbum
von Kurt Benning ist einer der Künstlerkommentare jener Zeit,
es enthielt Bildbesprechungen und Fotos von Kurt Benning, HK und
PP. Das Videoprojekt "Lebensläufe von Zeitgenossen"
von HK und Kurt Benning hatte 1996 mit einem damals nicht geglückten
Porträt Heinz Herzers seinen Anfang genommen und dauert an.
Das Herzerporträt wurde 2005 realisiert, ein Jahr vor dessen
Tod.
Zwei Foto-Arbeiten,
basierend auf Fundstücken, gehören zusammen wie Tag und
Nacht, "Familie Sagenschmid" und die "Pin Ups".
20 Porträt-Negative einer Familie der 60er Jahre, fand HK Anfang
der 70er Jahre in einem aufgelösten Nymphenburger Fotostudio.
Als fiktive Familie Sagenschmid ordnete er die einzelnen Protagonisten
in eine Genealogie und barg die Fotos 1981 in einer schwarzleinenen
Kassette; jedes wurde - im Format alter Glasnegative mit dem typischen
schwarzen Rand - aufgezogen auf Karton, wie wir es noch von den
alten, an den Ecken gerundeten hellbraunen Alinari-Fotos der kunsthistorischen
Archive kennen, hier schwarz und eckig. Es handelt sich um Bildnisse
der Repräsentation, auch dort, wo das zentrale Ehepaar Karl-Heinz
und Elfriede einen Gefühlston anschlagen. Verräterisch
die Zigarette in der Hand von Elfriede, beflissen herabgebeugt zu
Karl-Heinz, der - so könnten wir uns ausmalen - es als Schmied
in beispielhafter Wirtschaftswunderkarriere zum Großfabrikanten
von - beispielsweise - Landwirtschaftsmaschinen gebracht hat. In
der Art, wie die Älteren, die Großelterngeneration August,
Therese und Lotta, porträtiert sind, sprechen sich ungebrochen
noch alteuropäische Bildnistraditionen aus. Bei den Enkeln
Edmund, Gudrun, Franz und In2ebor2 geht es aufgelockert zu und doch
wie eingefroren in den Posen scheinbar zufälliger Natürlichkeit.
Das Schwarzweiß will hier im Grunde schon Farbe sein.
Ein Kunstgriff von HK, dass er uns im linken Trakt der Ausstellung
mit lebensgroßen Pin-Ups (die Vorlagen stammen aus der Frühzeit
der Fotokopie) konfrontiert, leichtgeschürzten Blumen des Bösen,
Damen aus der Nachkriegszeit, kess, aber ohne jeden Anflug von Pornographie,
Floor-Show mit einem Touch Wanderzirkus, lockende Heroinen aus einer
Zeit, wo Fleisch noch Fleisch sein durfte, die auch unsere Schwestern
sein könnten - Katrin und Peggy, Moni und Veronique, Jasmin
und Petra -, in der Ausstellung ein danse macabre, um alles und
alle einzubeziehen. Im Zusammenhang seiner Fundstücke wäre
auch der von Armin Zweite in Faktor X (2005) beschriebene Kunstbau
des Lenbachhauses zu nennen, eine Anregung HKs, nachdem er den ungenutzten,
in Vergessenheit geratenen U-Bahntunnel entdeckt hatte.
Zwei Ausstellungen
waren für mich besonders wichtig auf dem Weg zu lebenslänglich
2007: die Ausstellung Haupt- und Nebenwege, die Andreas Strobl und
ich 1994 in der Lothringer 13 kuratierten, mit Kurt Benning, Lutz
Fritsch, HK, Leiko Ikemura und Norbert Radermacher. Thema war die
künstlerische Produktion jenseits der Festlegung auf ein Label.
HK zeigte Porträts
von Wohnungen in Form von Frottagen, auch große Mauerbilder
als Porträts von Berlin, Pankow, Prenzlauer Berg, Schlesisches
Tor, die während längerer Aufenthalte dort entstanden
waren. Es war mir nicht klar, dass dies die Öffnung für
einen neuen Hauptweg sein würde - wenn es ihn denn gibt.
In der Ausstellung "Maia Paris 1994" bei Marion Grcic-Ziersch
1997 sah ich zum ersten Mal die Porträtköpfe von Neugeborenen
in all ihren menschlichen Möglichkeiten, eine Serie von Greisinnen,
Heiligen, Lurchen, Vamps, Kugelhäuptern, in der Zusammenschau
eine Meditation über den Menschen. In der Ausstellung lebenslänglich
gibt es eine Serie von Kinderporträts, Halbwüchsigen,
Brustbilder, Kniestücke, Köpfe. Sie haben in aller sehr
unterschiedlichen Charakteristik den Ausdruck, den Ernst Buschor
einmal das Seinsporträt - im Unterschied zum barokken Erscheinungsporträt
- genannt hat, gemeint ist der unverwandte, unverstellte Blick,
der sich der Ewigkeit konfrontiert sieht. Bei HK kann es eine individuelle
Zuständlichkeit, fast wie ein geheimes Zwinkern geben. Traumwandlerisch
ist ein treffender Ausdruck für viele der Köpfe auf seinen
großen Berliner Bildern. Starke Tiercharaktere sind mir dort
aufgefallen, so der dunkle Katzenkopf links oben auf dem Gemälde,
das er seiner Zeit in L'lle Bouchard dedizierte. Eine kleine, aber
wesentliche Arbeit im öffentlichen Raum entstand für die
Münchner Antonienstrasse 7 als Denkmal für die deportierten
Kinder und Jugendlichen eines jüdischen Kinderheims. HK wählte
den Standort auf dem Gehweg vor dem Wohnhaus, wo früher das
Kinderheim stand, für eine 3 m hohe Stele aus grau eloxiertem
Aluminium. Im Stadtarchiv hatte er einen privaten Schnappschuss
von zwei der Heimbewohnerinnen gefunden, die fröhlich auf die
Straße schauen Merry, rechts, wurde in Auschwitz ermordet,
Judith lebt, in den USA. Was berührt, ist, dass wir teilhaben,
jeder von uns angesprochen wird, in dem lachenden Blick der beiden
Mädchen, ganz in der Gegenwart und ganz in der Vergangenheit.
Es ist die Gegenwart
des Vergangenen, ein Thema der Ausstellung, insbesondere der neuen
in Berlin entstandenen Bilder im Mittelsaal.
Peter Pinnau